Die Reichsanwaltschaft ist eine oberste Behörde des Deutschen Reichs im Geschäftsbereich des Deutschen Reichsgerichtes; Nach § 143 Abs. 1 Nr. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) ist die Reichsanwaltschaft die Anklagebehörde am deutschen Reichsgericht. Der erste Beamte der Reichsanwaltschaft ist der Ober-Reichsanwalt. Dem Ober-Reichsanwalt sind mehrere Reichsanwälte nach § 145 GVG als seine Vertreter zugeordnet.
Die Reichsanwaltschaft wurde 1877 im Zuge der Reichsjustizgesetze beim Reichsgericht eingerichtet. Der Reichskanzler leitete und führte die Aufsicht über den Ober-Reichsanwalt und die Reichsanwälte gemäß § 148 Nr. 1 GVG. Die Leitung und Aufsicht oblag dem Reichskanzler bis zum Ende des Kaiserreichs. Das Reichsjustizamt war nur eine Abteilung des Reichskanzleramts.
Nach § 150 Abs. 1 GVG wird der Ober-Reichsanwalt auf Vorschlag des Bundesraths vom Kaiser ernannt. Als Beamter kann der Ober-Reichsanwalt nach § 150 Abs. 2 GVG jederzeit durch Kaiserliche Verfügung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Dasselbe galt für die Reichsanwälte. Der Ober-Reichsanwalt und die Reichsanwälte müssen nach § 149 Abs. 2 GVG die Befähigung zum Richteramt besitzen, obwohl sie keine Richter sind (§ 149 Abs. 1 GVG). Oberreichsanwälte haben denselben Rang und Gehalt wie der Reichgerichtspräsident, Reichsanwälte den eines Reichsgerichtsraths.
Der Ober-Reichsanwalt ist örtlich für das gesamte Reichsgebiet, sachlich für diejenigen Bereiche zuständig, welche vor dem Reichsgericht verhandelt wurden (§ 143 Abs. 1 GVG). Der Oberreichsanwalt übte die Funktion einer Anklage und Untersuchungsbehörde bei Aufgaben aus, bei welchen das Reichsgericht erstinstanzlich gemäß §§ 143 Abs. 1 Nr. 1, 136 Abs. 1 Nr. 1 GVG zuständig ist. Die erstinstanzliche Zuständigkeit ist nach § 136 Nr. 1 GVG nur in Fällen des Hochverrats- und Landesverrats gegeben, die gegen das Bundespräsidium oder das Reich gerichtet sind.
Mitwirkung am Revisionsverfahren
Der Ober-Reichsanwalt hat die Mitwirkung an Revisionssachen vor den Strafsenaten des Reichsgerichts nach §§ 143 Abs. 1 Nr. 1, 136 Abs. 1 Nr. 2 GVG inne. Das Reichsgericht war Revisionsgericht gegen Urteile
- der Strafkammern der Landgerichte in erster Instanz, soweit nicht zu Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet war (§ 136 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 GVG) (Anmerkung: Die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte war nach § 123 Nr. 3 GVG gegen erstinstanzliche Urteile der Strafkammern nur gegeben, wenn die Revision ausschließlich auf der Verletzung einer Rechtsnorm eines Landesgesetzes gestützt wurde);
- gegen die Urteile der Schwurgerichte;
- gegen Urteile der Strafkammern der Landgerichte in der Berufungsinstanz in Strafsachen wegen Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher in die Reichskasse fließender Abgaben und Gefälle, sofern die Entscheidung des Reichsgerichts von der Staatsanwaltschaft bei der Einsendung der Akten an das Revisionsgericht beantragt wird (§ 136 Abs. 2 GVG).
Für die Revision gegen Urteile der Strafkammern in der Berufungsinstanz sind im Übrigen nach § 123 Nr. 2 GVG die Oberlandesgerichte, und damit nach § 143 Abs. 1 GVG die Staatsanwaltschaften zuständig.
Weisungsbefugnis des Ober-Reichsanwalts
Der Ober-Reichsanwalt hat als erster Beamter der Reichsanwaltschaft das Recht den Reichsanwälten dienstliche Weisungen zu erteilen. Diese aus dem Hierarchieprinzip folgende selbstverständliche Befugnis stellte § 147 Abs. 1 GVG klar. Nach § 147 Abs. 2 GVG ist der Ober-Reichsanwalt berechtigt, allen Beamten der Staatsanwaltschaft Weisungen zu erteilen, wenn das Reichsgericht erstinstanzlich zuständig ist (Hoch- und Landesverratssachen gegen Bundespräsidium und Reich).
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